Tikal
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Tikal gehört zu den wichtigsten Maya-Stätten überhaupt. Von hier aus herrschten einige der mächtigsten Anführer der Region. Vorbei an kunstvoll restaurierten Pyramiden zu laufen, über jahrhundertealte Plätze zu streifen und mystische Tempel zu besteigen, gehört zum Pflichtprogramm eines Guatemala-Besuchs. Entsprechend groß ist der Andrang.

Der Tourbus ist bis auf den letzen Platz belegt, am Eingang zu den Ruinen stehen bereits etliche andere Touristen am Kassenhäuschen an. Es dauert eine kleine Ewigkeit, bis wir endlich unseren Guide treffen. Leider ist die Gruppe viel zu groß und die Erklärungen, die auf Englisch und Spanisch natürlich doppelt lang brauchen, eher mittelmäßig. Immerhin lernen wir: „Pyramiden“ haben in der Maya-Welt keine Spitze, sondern bestehen nur aus einem Stumpf. „Tempel“ bekamen oben drauf noch einen Aufbau.

In Tikal lassen sich viele Pyramiden, Tempel und Gebäudestrukturen noch besteigen. Die Stufen sind zwar steil und hoch. Doch meist ist es den Schweiß in der schwülen Dschungelhitze wert: Von oben ergeben sich neue Perspektiven auf den Wald, zwischen den Baumwipfeln erheben sich in der Ferne weitere Tempel.

Freigelegte und rekonstruierte „Zentrale Akropolis“, zugewachsene Pyramide

Noch immer sind Archäologen mit Ausgrabungen auf dem riesigen Gelände beschäftigt. Der Tikal-Nationalpark ist mit 576 Quadratkilometern Fläche größer als der Bodensee und fast vollständig von dichtem Urwald bewachsen. Höchstens die Hälfte aller Strukturen soll einmal ausgegraben werden – die andere Hälfte Lebensraum für Tiere und Pflanzen bleiben. Viele Pyramiden sind verborgen unter einer mit den Jahrhunderten immer dicker gewordenen Schicht aus Erde, von Bäumen bewachsen und fallen damit im Wald gar nicht direkt ins Auge. Es ist an der Vorstellungskraft der Besucher, sich auszumalen, welche großartigen Geheimnisse der Maya sie noch verbergen.

Wie die Tempel und Pyramiden gebaut wurden, ist weiter ein Rätsel – die Mayas kannten schließlich keine Räder. Um die ein bis zwei Tonnen schweren Kalksteinblöcke übereinanderzuschichten, nutzten sie vermutlich Rampen, ähnlich wie die Ägypter. Immerhin scheint geklärt, warum sich die Maya für diesen Standort entschieden: Das Land rund um Tikal ist flach, die Stadt auf einem Plateau errichtet und damit näher am für die Maya so wichtigen Himmel! Der Zugang zu Wasserquellen spielte offenbar keine Rolle: Über ein komplexes Aquäduktsystem wurde Regenwasser zur Versorgung der Bevölkerung in künstlich angelegte Teiche geleitet.

Die Geschichte Tikals

Für mehrere Jahrhunderte galt Tikal als das Zentrum der Maya-Welt schlechthin. Seine Verbindungen nach Teotihuacán im heutigen Mexiko sicherten lange Zeit Handel und Wohlstand und schützten Tikal etwa vor den Erzfeinden aus Calakmul. Doch Mitte des 6. Jh. ging das Kräftemessen dann doch zugunsten der Rivalen aus und es dauerte bis zum Ende des 7. Jh. Bis Tikal wieder an Stärke gewonnen hatte und dieses Mal Calakmul überfiel, unterwarf und seinen Herrscher tötete (freilich auf großen Stelen festgehalten). Eine knapp 200 Jahre währende Blütezeit begann und Tikal wuchs auf mehr als 100.000 Einwohner. Warum die Maya dann in der ganzen Region schließlich verschwanden, ist noch nicht endgültig geklärt. Vermutet wird eine Hungersnot, die sowohl durch eine Dürreperiode ausgelöst wurde aber auch möglicherweise durch die Überbewirtschaftung des Bodens für eine derart große Bevölkerung. In der Folge wird von Revolten gegen die herrschende Klasse berichtet – und dann lange Zeit nichts mehr. Tikal wurde erst im Jahr 1695 zufällig wieder entdeckt und von 1881 an ausgiebig dokumentiert. 1956 starteten die umfangreichsten Ausgrabungs- und Rekonstruktionsarbeiten – bis dauern bis heute an. Seit 1979 ist Tikal UNESCO-Welterbe.

Stuckmaske und Stele an der Nord-Akropolis

Highlight der Anlage ist der Große Platz im Zentrum Tikals. Neben ihren offiziellen, wenig klangvollen Namen „Tempel 1“ und „Tempel 2“ tragen diese beiden die Beinamen „Jaguar-Tempel“ und „Masken-Tempel“. Der berühmteste, 44 Meter hohe und etwa 1.300 Jahre alte „Jaguar-Tempel“ ist die Grabstätte eines der mächtigsten Herrscher Tikals: Hasaw Chan K’awil. Der „Masken-Tempel“ direkt gegenüber ist seiner Frau gewidmet. Zweimal im Jahr „küssen“ sie sich: Wenn der Tag genauso lang ist wie die Nacht, berührt die Spitze des Schattens des einen Tempels die Basis des anderen – und später am Tag andersherum. Faszinierend, wie präzise sich die Maya mit Astronomie auseinandergesetzt haben!

Der Große Platz

Der „Masken-Tempel“ lässt sich über eine Holztreppe an seiner Rückseite besteigen. Der Blick von oben auf den Großen Platz und den gegenüber liegenden „Jaguar-Tempel“ ist DAS Tikal-Motiv schlechthin: Besucher haben es schon im Kopf, bevor sie die Ruinen besuchen und vergessen es nicht mehr.

Ins touristische Gedächtnis eingebrannt: Blick vom Masken-Tempel auf den Jaguar-Tempel am Großen Platz

Die flachen Stelen waren so etwas wie das Instagram oder Facebook der Mayas: Ihre Anführer ließen darauf wichtige Schlachten und Siege verewigen, demütigten Gegner und versuchten sich selbst ein Denkmal zu setzen. Auch dank ihnen lässt sich der ewige Machtkampf zwischen den Maya-Städten Tikal und Calakmul recht präzise rekonstruieren – auch wenn die Gewinner jedes Kampfes die Stelen des Gegners zerstörten und die Geschichte neu schreiben ließen.

Es bleibt gerade noch Zeit, an „Tempel 3“ vorbei zu hasten und „Tempel 4“ im Westen der Anlage zu besteigen. Der Blick von hier oben über die Maya-Welt Tikals ist fantastisch! Es wird vermutet, dass hier ein weiterer wichtiger Herrscher begraben ist, der Sohn des im „Jaguar-Tempel“ begrabenen Maya-Führers. Jeden Morgen versammeln sich hier oben die Käufer eines „Tikal Sunrise-Tickets“. Doch nur alle 52 Jahre lässt sich hier angeblich ein besonderes Himmels-Spektakel beobachten: Dann stehen Venus, Mars und der Mond genau über den drei von hier oben sichtbaren Tikal Tempeln 1, 2 und 3.

Gerne hätten wir noch mehr von Tikal gesehen, z.B. die verlorene Welt „Mundo Perdido“. Doch die Zeit ist um, wir werden mit dem Bus zurück nach Flores gebracht.

Flores

Das touristische Zentrum im Norden Guatemalas liegt auf einer kleinen Insel im Petén-Itzá-See. Unterkünfte, Restaurants, Läden für Kunsthandwerk und Touranbieter reihen sich aneinander – trotzdem geht es recht familiär zu. Der Ort ist nicht nur ein guter Ausgangspunkt für Touren zu den Ruinenstädten Tikal und Yaxhá. Er ist auch ein angenehmer Zwischenstopp auf Reisen von oder nach Belize.

Tipps

  • Ich würde nicht noch einmal in einer Gruppe Tikal erkunden. Die An- und Abreise von Flores oder El Remate ist zwar nicht so stressfrei wie mit einem Touranbieter, lässt sich aber mit Minibussen organisieren.
  • Mindestens zwei Liter Wasser pro Person mitnehmen! In der schwülen Dschungelhitze sind die schneller ausgetrunken als man den Namen des Herrschers Hasaw Chan K’awil buchstabieren kann…
  • In Flores begeistert das Restaurant Casa Amelia mit traditioneller guatemaltekischer und mexikanischer Küche. Sehr empfehlenswert ist „Hilachas“, eine Art Gulasch. Aber auch die Tacos sind ganz ausgezeichnet. Dazu gibt es (wie fast überall im Ort) Happy Hour! Auch das Frühstück ist hier prima, Seeblick gibt es dazu.
  • Don Fredy grillt direkt an der Bushaltestelle vor der Brücke. Von den etwas improvisiert wirkenden Plastikstühlen sollte man sich nicht abschrecken lassen: Das deftige Knoblauch-Steak ist tip top (und dazu noch sehr günstig)!