Diese Wunde aus dem Apartheidregime klafft noch immer im Zentrum Kapstadts. Das niedergerissene Viertel ist bis heute nicht wieder aufgebaut, so groß ist die Schande noch immer. Doch die Gier korrupter Beamter und Bauherren ist inzwischen genauso groß.
Ein düsteres Kapitel südafrikanischer Apartheidsgeschichte ist noch immer nicht geschlossen. In den 1950er und 60er Jahren galt der District Six als multikulturelles Zentrum der Stadt. Hier lebte eine bunte Mischung aus Arbeitern und Künstlern, Bewohner verschiedenster Etnien und Hautfarben. Wer kein Geld hatte, tauschte eben. Die Gemeinschaft funktionierte.
Der Regierung war das jedoch ein Dorn im Auge. Ihr System basierte schließlich auf strikter Rassentrennung! Also wurde District Six zur „weißen Zone“ erklärt. Alle anderen mussten den Bezirk verlassen und wurden in Townships weit außerhalb des Zentrums umgesiedelt. Die Regierung ließ Bulldozer auffahren – 1982 war die gesamte Fläche dem Erdboden gleich gemacht. Und so liegt sie noch heute größtenteils brach da, mitten in der Stadt. Inzwischen wurden ein paar Sozialwohnungen gebaut für Bewohner, die nachweisen konnten, dass sie oder ihre Familien früher im District Six gewohnt haben. Wer allerdings keine Dokumente hat, weil sie etwa während der Zwangsumsiedlung verlorengegangen sind, geht leer aus. Vertreter der Vertriebenen sorgten lange dafür, dass das Gelände nicht bebaut wurde. Doch die Stadtregierung zweifelt inzwischen an der Legitimation der Vertreter – und die ersten Investoren reiben sich die Hände…
Unübersehbarer Streitpunkt in District Six ist auch die Universität. Ein riesiger Gebäudekomplex, der Fakten schafft und inzwischen große Teile des Viertels einnimmt. Ursprünglich wurde sie nur für weiße Studenten gebaut – inzwischen kann hier jeder studieren. Zentrum des Widerstands gegen den ständigen Ausbau der Uni ist eine kleine Kirche: Noch heute kommen jeden Sonntag viele ehemalige Bewohner von District Six aus ihren neuen, weit entfernten Wohnungen in den Townships, um hier ihren Gottesdienst zu feiern. Ein Angebot der Universität, die Kirche abzureißen und näher an ihrem neuen Wohnort aufzubauen, lehnten sie kategorisch ab.
Daneben erinnert ein weiterer Gedenkort an die Geschichte von District Six. Wo ehemalige Bewohner zunächst noch kleine Steinhaufen zur Erinnerung an ihre früheren Wohnungen auftürmten, steht heute – wer hätte es gedacht – ein Teil der Universität. Ein Zaun versperrt den Zugang. Und so knoten die Menschen eben Woche für Woche kleine Wollfäden an das Metallgitter. Ihr Protest geht weiter.
Tipp:
District Six lässt sich bequem zu Fuß erkunden. Mehr zur Geschichte erfährt man aber bei kostenlosen Führungen, die täglich ab dem Greenmarket Square starten.