Einmal im Flutlicht des Weltfußballs stehen, Austragungsort der Weltmeisterschaft 2014 sein und der ganzen Welt zeigen: Wir sind da! Für diesen Traum zogen in der abgelegenen brasilianischen Stadt Rio Branco alle an einem Strang. Um die FIFA zu überzeugen, sollte hier das erste ökologisch nachhaltige Fußball-Stadion der Welt gebaut werden. Die Pläne waren kühn und selbstbewusst. 17 Städte wollten die WM in Brasilien ausrichten. Aber nur zwölf erhielten den Zuschlag. Rio Branco nicht. Die Stadt hatte in Wahrheit auch nie eine Chance.

Sie wollen es der ganzen Welt zeigen. Rio Branco soll der „Grüne Austragungsort“ der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien werden. „Dieser Traum wird von ganz Acre geteilt.“, verkündet Projekt-Planer Anibal Diniz im Jahr 2009 stolz. „Jeder unterstützt diesen Prozess. Rio Branco ist deshalb ein genauso starker Kandidat ist wie jede andere Stadt.“ Zweifel an der WM-Tauglichkeit sollen erst gar nicht aufkommen.

 

Eindruck schinden bei der FIFA, klotzen – nicht kleckern.

„In China haben sie ein Vogelnest aus Metall gebaut. Wir bauen ein echtes, wo die Vögel in der Fassadenbepflanzung leben können!“, preist Architekt Luiz Volpato „das erste ökologisch nachhaltige Fußballstadion der Welt“ an. Mit 42.000 Sitzplätzen soll die Kapazität des alten Stadions verdreifacht, die Fassade bepflanzt und Parkplätze gebaut werden, die sich nach der Nutzung zu grünen Parkanlagen verwandeln.

3,5 Milliarden Reais (1,2 Mrd. Euro) will die Stadt dafür ausgeben – mindestens. Vorsorglich wurde das Fußballstadion der Stadt auf das Gelände des alten Flughafens gebaut. Drumherum: Viel Platz, um die Wünsche und Vorgaben der FIFA zu erfüllen. So müssen zum Beispiel viele neue Hotels her, denn Rio Branco mit seinen rund 300.000 Einwohnern ist auf den Touristenansturm einer Weltmeisterschaft überhaupt nicht vorbereitet.

 

Grün und kühn

Weil die Vision „grüner Austragungsort“ heißt, will sich Rio Branco auch beim Ausbau der Infrastruktur von den anderen Bewerber-Städten abheben. „Die wollen ihre U-Bahn-Linien erweitern“, sagt einer der Projektleiter, Jorge Viana. „Wir werden dagegen mehr Fahrradwege bauen.“ Mit 30.000 neuen Fahrrädern sollen die Fußball-Touristen tatsächlich selbst vom Hotel zum Stadion strampeln – bei durchschnittlich 30 Grad Celsius und tropischer Luftfeuchtigkeit. „Nach der WM werden die Fahrräder an die Bevölkerung verteilt“, verspricht Architekt Volpato. Nachhaltigkeit ist das Creo, mit dem die FIFA überzeugt werden soll.

„Ohne falsche Bescheidenheit: Unser Projekt ist das Beste!“, verkündet der Sportminister von Acre, Cassiano Marques, voller Stolz nach dem Besuch des WM-Komitees im Frühjahr 2009. Dabei übersieht er vielleicht eines der schwerwiegendsten Gegenargumente: Rio Branco ist weit, weit weg vom Rest Brasiliens. Vom Flughafen der Stadt gibt es derzeit drei Verbindungen am Tag in die übrigen Landesteile – mehrere Stunden Flug, meist nervenzehrende Umsteigeverbindungen.

 

Der Traum ist geplatzt.

Überhaupt gilt in Rio Branco als offenes Geheimnis: Alles nur Marketing – die WM-Bewerbung ist eine Propaganda-Show, um endlich mal auf Acre aufmerksam zu machen. Denn Acre wird in Brasilien kaum wahrgenommen. Nennenswerte Industrie gibt es nicht, der Staat lebt von Viehzucht, Kautschuk-Gewinnung und dem Anbau von Paranüssen. Die WM-Bewerbung, der Besuch des FIFA-Komitees vor allem gut fürs Ego. „Es gab einige Leute, die gesagt haben, wir hätten nicht die Konditionen, die WM auszurichten, als wir das Projekt vorgestellt haben. Denen haben wir es aber gezeigt!“, sagt der neue Sportminister Mauro José de Deus Morais.

 

Mauro José de Deus Morais, Sportminister von Acre

Den Trostpreis der FIFA, wenigstens Trainingsort einer Mannschaft zu sein, lehnt die Stadt ab. „Wenn wir nicht Austragungsort sein können, wollen wir auch kein Trainingsort sein.“, sagt de Deus Morais. „Der Traum ist geplatzt.“

Internationalen Fußball in Rio Branco wird es für sehr lange Zeit nicht mehr geben, da ist sich Fußballverbands-Präsident Aquino Lopez sicher. „Wir können einfach nicht mit dem Rest des Landes konkurrieren.“

Doch im Sportministerium liegen längst neue Pläne auf dem Tisch. „Jetzt wollen wir Olympiastützpunkt werden.“, sagt Minister de Deus Morais. „Mit dem Bau wollen wir noch in diesem Jahr beginnen.“ Fehlt nur noch das Okay der Regierung. Rund um das Fußballstadion sollen eine Laufbahn und sechs Fußball-Trainingsplätze entstehen. Dazu eine Multifunktionssporthalle für sechs- bis achttausend Zuschauer und außerdem ein Trainingszentrum sowie ein Schwimmbad. 25 Millionen Reais (8,7 Mio. Euro) will sich Rio Branco das kosten lassen.

Auch das Fußballstadion soll etwas umgebaut werden, wenn auch nicht ökologisch nachhaltig. „Das war ein WM-Projekt“, sagt der Sportminister. Was solle Rio Branco denn mit einem Stadion für 42.000 Menschen?

 

erschienen auf www.onceamigos.net