Mitten in der trockenen, felsigen Mondlandschaft des Kalahari-Beckens donnert der Orange River 56 Meter in die Tiefe. Die Wasserfälle an der Lebensader der trockenen Savanne sind definitiv die größte Attraktion weit und breit.
Malte Führing
Mitten in der trockenen, felsigen Mondlandschaft des Kalahari-Beckens donnert der Orange River 56 Meter in die Tiefe. Die Wasserfälle an der Lebensader der trockenen Savanne sind definitiv die größte Attraktion weit und breit.
Lange und viel Nichts: Auf den 285 Kilometern zwischen Springbok und Kakamas am Oranje River leistet der Tempomat unseres Mietautos ganze Arbeit. Es geht immer geradeaus durch die erdig-graue Wüstenlandschaft. Das ändert sich erst kurz vor dem Oranje River, dem mit 2160 Kilometern zweitlängsten Fluss im südlichen Afrika. An seinem Ufer wachsen hier vor allem Tafeltrauben! Auf großen betonierten Flächen dörren sie in der Sonne zu Rosinen – ein wichtiges Exportgut.
Der Augrabies Falls Nationalpark empfängt seine Besucher mit feinster südafrikanischer Bürokratie. Der Schrankenwärter öffnet sein Allerheiligstes erst, nachdem ein förmlicher Abreißzettel mit persönlichen Daten und Autokennzeichen beschriftet ist und darauf auch versprochen wird, keine Waffen mitzuführen. Dieser Zettel muss dann an der Kasse im Besucherzentrum gegen eine Quittung eingetauscht werden, die beim Verlassen des Parks an der Schranke mit dem Durchschlag des Abreißzettels abgeglichen wird, bevor man den Park wieder verlassen darf.
Wegweiser auf Schildern braucht es gar nicht. Wir laufen nach Gehör dem Rauschen entgegen. 1.170 Kubikmeter Wasser donnern an diesem Apriltag pro Sekunde in die Tiefe – das ist alle zwei Sekunden etwa ein Olympia-Schwimmbecken. Im südafrikanischen Sommer (Januar oder Februar) können es sogar acht bis zehnmal so viel sein! Dann sind die Aussichtsplattformen überschwemmt und die Schlucht unterhalb der Augrabiesfälle fast randvoll.
Dass es hier in dieser kargen Wüstenlandschaft überhaupt so einen großen Wasserfall gibt, ist schon Wunder genug. Schon ein paar hundert Meter entfernt weist kaum etwas darauf hin.
Der etwa acht Kilometer lange „Dassie Trail“ in der Umgebung der Wasserfälle hat es in sich. Der Weg führt durch eine hübsche Felslandschaft, in der unterirdische Bäche durchs Gestein gurgeln. Einige Abschnitte führen durch sumpfiges Gelände. Unter den Schuhen modern schwankende Holzplanken – hoffentlich kriecht jetzt keine Schlange aus dem meterhohen Schilf hervor… Auf den Aufstieg auf den „Moon Rock“, einen halbrunden, grauen, felsigen Hügel, verzichten wir. Zu erbarmungslos brennt die Sonne vom Nachmittagshimmel. Wir sind froh um jeden nur halb verdorrten Baum, der etwas Schatten spendet. Dassies haben wir hier übrigens nicht gesehen. Anders als auf dem Campingplatz an den Wasserfällen, wo die putzigen Tiere fast unter jedem Busch auf nahrhafte Hinterlassenschaften der Besucher lauern…
Die größte Stadt in der Region ist mehr ein Versorgungszentrum als sie zum Verweilen einlädt. Ein paar Hauptstraßen voller Verkehr und Gewusel, keine einladenden Geschäfte. In der modernen Kalahari Mall gibt es aber alle Vorräte, die man für ein paar Tage im Kgalagadi Transfrontier Park braucht.
An zwei Stellen ist Upington dann aber doch spannend: Am Flughafen liegt die längste zivile Landebahn der Südhalbkugel. Auf 4,9 Kilometern Länge hätte sogar im Notfall ein Space Shuttle landen können, wenn es zum Beispiel die Wetterbedingungen in den USA nicht zugelassen hätten. Der Bau des Flughafens war nötig geworden, weil sich Mitte der 1970er Jahre Südafrika im Apartheid-Regime nach politischen Umbrüchen in den Nachbarländern in der Region zunehmend isoliert sah und die nationale Fluggesellschaft South African Airways kaum noch Überflug- und Landegenehmigungen erhielt. Trotzdem sollten beladene Boeing 747 nach Europa fliegen können – Upington im Norden Südafrikas diente also als Tankstopp auf dem Weg nach London oder Zürich. Ein großes Terminal brauchte es dafür nicht, auch heutzutage steht hier nur ein kleines Abfertigungsgebäude. Die kleinen Maschinen, die hier abheben, nutzen inzwischen eine nicht einmal halb so lange Startbahn direkt nebenan. Das riesige Gelände dient nun auch als Flugzeugfriedhof für ein paar ausgemusterte Maschinen.
Schon von weitem sticht Upington-Besuchern ein Turm ins Auge, dessen Spitze aussieht wie ein grell leuchtendes Ufo. Hier erzeugt das Solarthermie-Kraftwerk „Khi Solar One“ 130 Gigawattstunden Strom pro Jahr – so viel wie 18 bis 32 Windräder. Mehr als 4000 Spiegel richten Sonnenlicht auf den Turm, in dem sich dadurch eine Flüssigkeit auf bis zu 530°C erhitzt und verdampft – und eine Turbine antreibt. Dank eines Stromspeichers liefert das Kraftwerk auch nachts klimafreundliche Energie für mehr als 45.000 Haushalte.