Mitten in der Atacama-Wüste sprudelt das Wasser aus der Erde. Hoch in den Himmel schießende Wasserfontänen sucht man beim Besuch der Tatio-Geysire allerdings vergeblich. Früh am Morgen ist die Aktivität der Tatio-Geysire am stärksten. Die Touristenmassen kommen aber trotzdem, auch wenn man sich dabei gegenseitig auf die Füße tritt. Den Vergleich mit den isländischen Namensgebern scheuen diese kleinen Blubberbecken zwar wohl zu Recht, aber immerhin der Schwefelgeruch bleibt in der Nase…

Nach einer alles andere als erholsamen Nacht im heißen Mehrbettzimmer des Hostels stehe ich um viertel vor vier Uhr nachts auf und packe in der Dunkelheit mit Hilfe der Bildschirmbeleuchtung meines Handys den Rucksack für den Tag. In ein paar Minuten werde ich abgeholt für den Ausflug zu den Tatio-Geysiren. Auch die Deutschen vom Vortag sind wieder dabei. Um den sternenklaren Himmel zu bewundern, dafür holpert der Kleinbus entweder zu sehr oder meine Augen sind aus Müdigkeit geschlossen. Wir sind so früh aufgebrochen, da die geothermische Aktivität in der Region um diese Zeit am höchsten ist, also die Geysire am meisten Wasser ausspucken. Kurz vor Sonnenaufgang halten wir nach etwas mehr als zwei Stunden Fahrt an dem Geysir-Feld. Alleine sind wir nicht. Über hundert andere Touristen sind ebenfalls mit Bussen her gekarrt worden und blitzen mit ihren Fotoapparaten wild in den noch dunkelblauen Morgen. In der Mitte der Menschentrauben blubbert und spritzt das Wasser aus der Erde, um sich auf dem Boden wie eine riesige Pfütze zu verteilen oder größtenteils neblig wabernd große Wasserdampfwolken in den Himmel zu schicken. Langsam wird es hell und das Muster des Bodens wird sichtbar. Wie auch in der Salzwüste besteht er aus Salz und stellt sich mal zell-, mal terrassenförmig dar. Um die Geysire ist er fast überall mit Wasser bedeckt, das sich aus den Wasserdampfwolken hier niederschlägt. Wirklich hohe Wasserfontänen wie auf Bildern aus Island sucht man hier aber vergeblich. Nur die Dampfsäulen steigen in den Himmel und lassen erkennen, wo wieder ein Blubberloch in der an einigen Stellen wie Käselöcher perforierten Erde zu finden ist.

Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
Die Tatio-Geysire
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Die Tatio-Geysire
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Es riecht leicht nach warmem Schwefel. Ruhig ist es allerdings nicht. Das Blubbern und Brodeln des Wassers wird durch die Touristenhorde auf Spanisch, Portugiesisch, Russisch, Deutsch und vielen anderen Sprachen übertönt. Die Wasserdampfsäulen erhellen immer wieder die krankhaft zuckenden und mittlerweile völlig unnötigen Blitze der Digitalkameras. Ein Foto von einem Geysir zu machen, ohne dass sich ein in seine bunte Allwetterjacke gepackter Tourist ins Bild schiebt, weil er sich selbst unbedingt vor einem Wasserloch stehend aufgenommen sehen will, ist fast unmöglich. Tatsächlich ist es in der Nähe der Geysire am angenehmsten. Noch ist es sehr kalt, die Sonne muss die Luft hier auf einer Höhe von etwa 4300 Metern erst noch anwärmen. Eine Tasse heißer Kaffee oder Coca-Tee tut da gut: Auf einer Mauer am Rande des Geysirfeldes hat jeder Tourveranstalter für seine Gäste ein kleines Frühstücksbuffet aufgebaut – mal äußerst reichhaltig, mal weniger. Neben Streichwurst auf labberigem Brot aus der Tüte und Keksen darf auch hier das beliebte Salzgebäck nicht fehlen. Ich nutze die Gunst der Stunde bzw. der essenden Touristenschar und laufe über das etwas leerer gewordene Geysirfeld. In einiger Entfernung steht noch mahnend eine der Maschinen, die einst die Geothermik der Region zur Energiegewinnung nutzen sollte. Das Projekt wurde dann aber aufgrund der zu ungleichmäßigen Aktivität eingestellt – ein Glück für die Touristen.

Wir steigen wieder in den Bus und fahren in der Kolonne mit den anderen Bussen weiter. Wie schon am Tag zuvor kann auch hier gebadet werden: Ein paar heiße Quellen füllen ein Becken im Boden. Sich aus der wärmenden Kleidung zu pellen, kostet Überwindung, schließlich ist es immer noch ziemlich kalt draußen. Aber einmal im warmen Wasser, ist es sehr angenehm. Zumindest solange, bis wieder ein Schwall Touristen dazukommt und man Mühe hat, ohne den unangenehmen Körperkontakt des Nebenmannes im etwas mehr als knietiefen Wasser zu hocken. Während der aufgeheizte Körper draußen in der Kälte noch etwas weiterdampft, lohnt es sich, zu den auch hier aktiven Geysiren zu laufen. Diese sind deutlich größer als auf dem ersten Geysirfeld und die anderen Touristen sind mit Planschen beschäftigt und lassen hier etwas mehr Bewegungsfreiheit. Hoch steigt das Wasser hier zwar auch nicht, aber das Blubbern der jetzt schon mehrere Quadratmeter großen Wasserlöcher wirkt deutlich eindrucksvoller.

Der Tourguide ruft wieder und mit dem Bus fahren wir jetzt vorbei an der wunderbar in der Morgensonne leuchtenden Steppengraslandschaft. Nächster Halt ist der Ort Machuca. Nur sechs Menschen leben hier für gewöhnlich in den etwa 20 Häusern des Ortes. Jetzt stehen hier mehr Busse und Autos als Häuser, die Einheimischen sind durch ihre Verkaufstische von den Touristen getrennt. Man hat sich hier voll und ganz auf den täglichen Tourismus eingestellt. Ein paar Stunden Arbeit am Tag, viele überteuerte Empanadas und dann sind die Besucher auch schon wieder weg. Doch das Geschäft scheint sich zu lohnen. Lange Schlangen bilden sich. So wie es aussieht, hat das Frühstück kaum jemandem ausgereicht. Die Atmosphäre gleicht einem aus dem Boden gestampften Rummelfest, obwohl das Dorf sicherlich Charme haben könnte… Doch nach 30 Minuten werden wir wieder eingesammelt und sind auf dem Rückweg nach San Pedro.

 

Regen in der Wüste

Wieder in San Pedro de Atacama angekommen, habe ich noch mehr als acht Stunden Zeit, bis mein Bus in Richtung Iquique, der nächsten Station der Reise, abfährt. An die teuren Restaurant-Preise habe ich mich allmählich gewöhnt. Nach ein paar wüstentrockenen Baked Potatoes und einem fingerhutgroßen Glas Coca-Cola dazu, lohnt es sich nicht, im Internetcafé auf die unzeitgemäße Übertragungsgeschwindigkeit hinzuweisen. Der Junge an der Kasse klingt jedenfalls nicht sehr überrascht („Ach, es ist langsam…“), dass ich zum E-Mails-Checken ganze 15 Minuten brauche.

Aber ich habe ja heute Zeit. Deswegen besuche ich das Archäologische Museum der Stadt an der Plaza. Ein belgischer Missionar hat in den 70er Jahren hier eine Menge Fundstücke aus der Region ausgestellt und lässt so den Werdegang der Atacama-Kultur nachvollziehen. Streckenweise ist das sogar ziemlich interessant. Aber auch wenn die Texttafeln nicht wahnsinnig viel Lesestoff bieten, wird es schnell anstrengend, sich in der Schwüle zu konzentrieren und nicht nur aus Gewohnheit mit den Augen die Textzeilen entlang zu streifen. Für die Sonderausstellung zur Salpeterzeit in Chile habe ich dann schon keine Kraft mehr.
Zurück im Innenhof des Hostels glaube ich zuerst an einen schlechten Scherz, als es zu regnen beginnt! Mitten in der angeblich trockendsten Wüste der Welt? Die Hostel-Frau ist weniger überrascht: „Ja, das passiert hier im Sommer häufiger“. Ich vermute hinter dem angeblichen Trockenheits-Rekord eine Marketingmaßnahme, um noch mehr Touristen in die Region zu locken und setze mich auf die überdachte Terrasse. Hier komme ich mit zwei Süddeutschen ins Gespräch, die auch in Richtung Norden weiterreisen werden. Noch immer sind es einige Stunden bis zur Abfahrt des Busses und ich nutze die Gelegenheit, meine bisher aufgenommenen Fotos auf meinem Laptop zu speichern, um bei einem Verlust der Kamera nicht ganz nackt da zu stehen. Der Regen geht unterdessen weiter und anstatt die im Hof hängende Hängematte einfach abzuhängen, sind zwei Hostel-Leute damit beschäftigt, sie in eine Plastikplane einzuwickeln… Die beiden Deutschen schauen fassungslos zu und ich freue mich schon auf die noch unlogischeren Dinge, die ich in Peru vielleicht wieder erleben werde.

 

Mit dem Bus nach Iquique

Zuerst muss ich nach Calama fahren, die nächste größere Stadt im Umkreis von San Pedro. Von hier aus wird mich dann ein Nachtbus weiter in die zweitgrößte Stadt im Norden Chiles bringen: Iquique. Im Bus von San Pedro de Atacama lerne ich Annie aus England kennen, die gerade eine Art Freiwilliges Soziales Jahr in Peru macht und sich über die teuren Preise in Chile beschwert und deshalb schnellstmöglich wieder nach Arequipa möchte. Ich erinnere mich noch gut an die Reise durch Südperu, die mich bereits vor drei Jahren nach Arica, der nördlichsten Stadt Chiles gebracht hat: Auch hier war es nicht einfach, eine Unterkunft zu finden, die den aus Peru bekannten Preisen nahe kam.

Der Bus hält schon eine halbe Stunde vor der geplanten Zeit in Calama. Ich setze mich in einen Warteraum des Terminals. Auf einem großen Fernseher direkt über mir läuft „Viña 2010“, eine Musikshow aus der Stadt Viña del Mar, in der gerade der beliebte Sänger Américo auftritt und „Y hoy te vas, te vas, te vas, te vas, …“ ins Mikrofon jault. Über 20 Leute am Busbahnhof starren gebannt auf den Bildschirm und weil ich so praktisch darunter sitze, auch gleich mal neugierig zu mir. Dann ist Schluss, alle Stühle werden auf die Tische gestellt, die Frau, der ein kleiner Imbiss im Terminal gehört, macht jetzt Feierabend. Ich muss draußen Platz nehmen, weil es drinnen keine anderen Sitzgelegenheiten gibt. Der Bus nach Iquique lässt auf sich warten. Langsam macht sich Müdigkeit breit. Seit Viertel vor vier Uhr morgens bin ich schon auf den Beinen, jetzt ist es schon wieder fast Mitternacht. Da macht es auch nichts aus, dass der Bus verhältnismäßig alt ist und seine Sitze schon recht durchgesessen sind. Sechs Stunden Schlaf bleiben mir, bis ich in Iquique ankomme.

San Pedro de Atacama hat sich gelohnt und es gibt in der Umgebung noch viel mehr zu sehen. Es wird also wohl nur ein Abschied auf Zeit von der touristischen Stadt in der angeblich trockendsten Wüste der Welt.