Island ist nicht unbedingt für seine farbenprächtige Unterwasserwelt bekannt. Trotzdem gibt es hier einen sensationellen Schnorchel-Spot: Er befindet sich in der Spalte zwischen zwei Erdplatten! Auf der einen Seite der nordamerikanische, auf der anderen der eurasische Kontinent – und dazwischen eiskaltes aber glasklares Wasser.

Mehr als 50 Jahre hat das Wasser in der Silfra-Spalte kein Tageslicht erblickt. Vom Langjökull-Gletscher im Landesinneren in den Boden gesickert und durch unzählige Schichten Lavagestein gefiltert, tritt es im Thingvellir-Nationalpark kristallklar an die Oberfläche – und zieht passionierte Taucher und neugierige Schnorchler aus aller Welt an. 

Die Vorbereitungen dauern länger als der Schnorchelgang selbst: Über eine Schicht warme Unterwäsche und dicke Socken ziehen wir einen gefütterten Ganzkörperanzug – und darüber einen wasserdichten Neopren-Anzug mit angenähten Gummischuhen. Der Kopf wird mit einer Art Neopren-Sturmhaube warm gehalten, die Finger mit Handschuhen. Damit sich kein Tropfen Wasser in den Anzug hinein bahnt, wird der Kragen noch mit einem Gummiband um den Hals „abgedichtet“ – keine Aktion für Klaustrophobiker. Flossen an die Füße, Taucherbrille über Augen und Nase, Schnorchel in den Mund – am Ende kommen nur die Lippen in direkten Kontakt mit dem zwei bis drei Grad kalten Wasser. „Das spürt ihr kaum, die sind meist sofort taub“, beruhigt uns Guide Halli… 

Die Silfra-Spalte, im Hintergrund der Thingvallavatn-See

Über eine Metalltreppe schreiten wir ins Wasser. Angst, mit dem drei Lagen schweren Anzug unterzugehen, haben wir nicht. Er hält dicht – und hat noch so viel Luft eingeschlossen, dass wir wie Bojen an der Wasseroberfläche schwimmen. Allerdings: So dick wie wir eingepackt sind, sind Kopfbewegungen kaum möglich. Wollen wir nach rechts oder links schauen, müssen wir den ganzen Körper drehen. Doch die wirklich beeindruckende Sichtweite macht das wieder wett! 

 

Rechts Amerika, links Europa

Eine Unterwasser-Felslandschaft, soweit das Auge reicht. Einige wenige dürre Pflänzchen krallen sich in den Basalt und bringen zwischen grauen Steinen und dem bläulich-schimmernden Wasser einen gelben bis hellgrünen Kontrast ins Bild, andere wabern in langen Fäden nahezu durchsichtig dahin. Sonnenstrahlen zaubern durch die vom Wind gekräuselte Wasseroberfläche bizarre Lichtspiele aufs Gestein unter Wasser. 

Drysuit-Bojen

In der kaum spürbaren Strömung gleiten wir dahin, durchqueren flache Stellen, an denen sich im Sonnenlicht bereits die ersten bräunlichen Algen auf dem Boden ausbreiten und bestaunen tiefe Stellen, an denen Taucher aus bis zu 18 Meter Tiefe Luftblasen zu uns hinauf schicken. 

Nach gut einer halben Stunde ist der Schnorchelgang schon vorbei. Etwa 250 Meter sind wir getrieben – nur hin und wieder einen sanften Stoß mit den Flossen. Die Kälte haben wir ganz vergessen, doch die Lippen sind tatsächlich taub – erholen sich aber an Land sofort wieder. Wir hätten locker noch einmal so lange weiter schnorcheln wollen. Doch die Regeln sind streng, Sicherheit geht vor. Zur 22 Meter tiefen „Kathedrale“ dürfen nur „echte“ Taucher, noch weiter hinten wird die Strömung stärker und treibt unvorsichtige Schnorchler auf den Thingvallavatn-See. „Dann kann euch nur noch ein Helikopter rausholen“, warnt der Guide. „Wenn ihr den aber bezahlen wollt, sagt Bescheid, dann komme ich mit und wir fragen, ob er noch eine Extra-Runde über den Vulkan dreht!“ Vielleicht ein neues Geschäftsmodell?

Tipps:

  • Es gibt etwa eine Handvoll Anbieter (Diving Island, Iceland Dive Expeditions, Arctic Adventures, Dive Iceland), die Schnorcheltouren in der Silfra-Spalte anbieten. Alle folgen derselben Route und kosten ähnlich viel. Unterschiede gibt es nur bei der Gruppengröße und Zusatzleistungen wie Transfer ab Reykjavik oder ob Unterwasserfotos von der Tour inklusive sind.
  • Die Touren starten in der Regel am Vormittag. Mit Umziehen, Einweisung, Schnorchelgang, Rückweg und einem heißen Getränk mit Keksen dauern sie zwei bis drei Stunden. 
  • Im Winter sind Schnorchelgänge in schneebedeckter Umgebung möglich! Da das Wasser direkt aus dem Gestein quillt, friert es erst, wenn es den Thingvallavatn-See erreicht. Die größere Herausforderung dürften eher in Sekundenschnelle gefrorene Reißverschlüsse darstellen, die dann eben mit heißem Wasser aus der Thermoskanne enteist werden…