Malte Führing
Ob die Minen-Lokführer hin und wieder ein bisschen langsamer gefahren sind, um den Ausblick zu genießen? Immer wieder verlässt die knapp einen Kilometer lange Strecke durch den Henry-Stollen im Südwesten Sardiniens die Klippen und führt hinaus auf Fels-Balkone. 50 Meter über dem Meer gibt es eine fantastische Aussicht!
Vor 160 Jahren wurde hier Erz aus der Pranu-Sartu-Mine zur Weiterverarbeitung und dann zum Hafen transportiert. Das Geschäft der französischen Minengesellschaft florierte, der Ort erlebte einen enormen Aufschwung. Doch Felsbalkone mit Aussicht hin oder her: Lichtblicke waren für die sardischen Arbeiter damals eher selten. Die Bedingungen waren sogar so schlecht, dass 1904 nach dem Tod zweier Arbeiter der erste Streik in der Industriegeschichte Italiens das Militär auf den Plan rief. Sein blutiges Ende schlug derart hohe Wellen, dass erstmals ein landesweiter Generalstreik folgte – und damit eine liebgewonnene italienische Tradition begründete.
In den ersten Jahren schafften Packesel das schwere Material durch den Stollen. Sie nutzten auch enge Wege direkt an der Felskante, die heute aus Sicherheitsgründen nicht mehr begehbar sind. Seit 1895 gibt es den Tunnel in seiner heutigen Dimension. Er ist genau groß genug, dass eine kleine Dampflokomotive hindurch passte. Für die damalige Zeit war das ein sehr fortschrittliches Stück Ingenieurskunst, wie es sich auch am Hafen Porto Flavia bestaunen lässt, keine zehn Kilometer südlich der Galleria Henry. Inzwischen ist es eine Elektrolok, die die kleinen, ratternden Personenwagen für Besucher zieht.
