Oaxaca
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Oaxaca gewinnt den Titel der schönsten Stadt der Reise. Doch nicht nur bunte Kolonialbauten, prunkvolle Kirchen voller Gold und quirlige Märkte machen den Charme dieser Stadt aus. Das Essen der Region ist ausgesprochen lecker und die Oaxaqueños sind ausgesprochen feierfreudig.

Sieben Uhr morgens. Ankunft in Oaxaca. Ich erwarte eine Wärmewelle beim Aussteigen aus dem Bus. Aber es ist angenehm kühl am Morgen. Dusche und Frühstück im Hostel, dann los zur Stadtbesichtigung. Der Konvent Santo Domingo ist nicht weit und hier geht es gleich los mit einem der Highlights in Oaxaca: Gold überall. Ich habe noch nie so eine prunkvolle Kirche gesehen. Alles strahlt und schimmert golden und ist kunstvoll verziert. Vor lauter Blattgold bleibt gar kein Platz für Gemälde. Und wenn, sind selbst sie noch mit Gold überzogen. Ich bin mehr als beeindruckt. Geblendet könnte man sagen.

Santo Domingo - Alles Gold, was glänzt!

Mein Blick schweift vom glänzenden Hochaltar an die Kuppeldecke: Hier geht der Prunk weiter und auch am Marienaltar wurde nicht gespart. Im angrenzenden Kulturmuseum ist so ziemlich alles zu sehen, was in der Region Oaxaca seit Beginn der Zivilisation passiert ist. Ich müsste Stunden in dem alten Kloster verbringen, um wirklich alles gelesen zu haben. Aber auch so bekomme ich einen guten Überblick. Das Museum ist toll aufgemacht und versieht die spannenden Ausstellungsstücke nicht mit zu viel Text. Vor allem das Gold aus der Pyramidenstadt Monte Albán ist beeindruckend gearbeitet. Aber auch die fratzenartigen Grabbeigaben aus Ton sind sehenswert: teils schön, teils gruselig dreinblickend. Ein spannender Ausstellungsteil widmet sich der Kolonialisierung Oaxacas. Er schildert das Interesse der indigenen Völker an den Spaniern, ihre Neugier aber auch ihre Ablehnung und Skepsis. Und er zeigt, wie drastisch sich die Region nach Ankunft der Spanier verändert hat – vor allem durch den offenen Kampf der Indigenen gegen sie und schließlich die Unterwerfung der Ureinwohner durch die späteren Kolonialherren.

Goldmaske aus der Grabkammer 7 von Monte Albán

Es ist schon Zeit fürs Mittagessen, als ich wieder aus dem Museum komme: Tortillas mit Kaktus-Irgendwas, das beim Aufschneiden dünne schleimige Fäden zieht und geschmacklich nicht an meine Erwartungen herankommt… Der Bauch ist voll, das Museum ist verdaut, der Kopf braucht wieder Kultur. Auf zur Ruinenstätte Monte Albán!

In der „Mina“-Straße riecht es nach Kakao. Der Duft strömt aus vielen Geschäften, das größte von ihnen ist „Mayordomo“. Hier gibt es Schokolade bis unter die Decke: Ich decke mich mit frischem, gerösteten Kakao ein und kaufe Trinkschokolade. Der Kakao kommt aus der Region. Schon der Aztekenherrscher Moctezuma liebte den kalten „chocoatl“. Auch mir gibt eine große Schüssel davon neue Energie.

Kakao aus der Region. Schon Aztekenherrscher Moctezuma liebte "chocoatl".

Vor der Kathedrale am Zócalo von Oaxaca drängen sich bunt die Luftballonverkäufer. Eine Marimba-Band baut auf zum „Miércoles de Danzón“ (Tanzmittwoch). Schon bald wiegen meist alte Paare zur Musik über den Hauptplatz, rund herum stehen Menschen und schauen ihnen dabei zu. Wie schon in Veracruz tanzen sie hier auch langsam, aber es sind viel mehr Menschen gekommen und die Tänzer sind irgendwie leidenschaftlicher und „schwungvoller“, soweit man das überhaupt behaupten kann… Es ist herrlich zu beobachten, wie sich die alten Männer ihren Tanzpartnerinnen hingeben und dabei gesehen und bewundert werden wollen. Die untergehende Sonne taucht die kolonialen Fassaden der Stadt in ein weiches, warmes Licht und die Dazón-Tänzer schwofen bis es dunkel wird.

Danzón: Ein gepflegtes Tänzchen auf dem Zócalo.

Am Zócalo geht der Trubel auch am Abend weiter. Unzählige ambulante Händler und Musikbands konkurrieren um „Privatkunden“ in den Bars und Restaurants direkt am Hauptplatz, um ihnen etwas zu verkaufen oder vorzuspielen. Es ist ein heiteres Durcheinander – eine lockere Atmosphäre. In der Cenadería Libres Tlayudas Doña Martha beende ich meinen ersten Tag in Oaxaca mit einer riesigen Tortilla: Sie ist mit schwarzen Bohnen gefüllt dazu Käse, Salat, Soße und Zwiebeln. Obendrauf thront ein Bistéc vom Grill. Das schmeckt einfach nur super! Und es ist sehr sehr viel… In den Räumen des Restaurants stehen nur Plastiktische und Stühle – gegrillt wird draußen an einem Wagen auf der Straße. Taxifahrer stehen Schlange für einen späten Snack – wenn es spät in der Nacht hier richtig voll wird, warten die Gäste schon einmal mehr als eine halbe Stunde auf ihr Essen. Aber das ist es wert!

Tlajuda: Eine gefüllte Riesentortilla mit ordentlich Fleisch obendrauf. Lecker!

Die Basilica Menor de Nuestra Señora de la Soledad – der Name ist lang, die Geschichte kurz: Auf einem Felsen ist einmal Maria erschienen, deswegen hat man um den Felsen herum eine Kirche gebaut. Um den Felsen direkt hinter dem Eingang wurde ein Eisenkäfig gebaut – falls Maria hier nochmal erscheinen sollte, kommt sie jedenfalls nicht wieder raus. Die Kirche ist hübsch, aber längst nicht so prunkvoll wie Santo Domingo. Vor dem Eingang gibt es viele kleine Eis-Stände mit Plastikstühlen und einer langen Liste an Geschmackssorten. „Nieve“ (Schnee) heißt das Eis auch hier – und hat ebenso viele harte und große Eiskristalle wie das Eis in Veracruz. Aber ich suche heute einen neuen Geschmack und keine gute Konsistenz und entscheide mich für Kaktusfeige (Tuna) und Mezcal (die Tequila-Art). Prädikat: Interessant. Das Geschmackserlebnis kann längst nicht damit mithalten, was mich auf den Märkten Benito Juárez und 20 de Noviembre erwartet: Hier wabern so viele Gerüche durch die Luft, dass es schwierig ist, einen zu benennen, bevor nicht der nächste die Nase erobert hat. So mischen sich der Geruch nach frischem Leder mit dem gerösteter Heuschrecken, rohes ungekühltes Fleisch wird zu chlorhaltigem Reinigungsmittel und frisches Obst wechselt sich mit getrockneten Chilischoten ab. Ich bin überwältigt. Dazu kommen die bunten und an Waren überquellenden Marktstände, dich mich überfordert zurücklassen.  Auf dem Mercado 20 de Noviembre überwiegen die Essensstände. Sie sind gefliest und sehen allesamt ziemlich sauber und vertrauenserweckend aus. Aber ich habe keinen Hunger – vielleicht ist mir der Appetit beim Anblick der gerösteten Heuschrecken vergangen? In der „Carne Asadas“-Abteilung (Grillfleisch) ist es am schönsten. Dicht nebeneinander stehen die Grillstände gedrängt, Rauchschwaden ziehen durch den schmalen Gang und in der Luft hängt der Geruch von frischen Steaks und Würstchen. Alles frisch zubereitet! Die Verkäufer rufen hin und wieder, um die Marktbesucher zum Essen zu überzeugen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.

Chapulines - geröstete Heuschrecken als Delikatesse...

Am Zócalo, der in Oaxaca ordentlich Plaza de la Constitución (Platz der Verfasung) heißt, breiten immer mehr Händler ihre Waren auf einfachen Tüchern auf dem Boden aus, bis der ganze Platz bunt ist. Sparschweine(!) sind in besonders großer Zahl im Angebot oder Hemden, die wohl typisch für die Region sind aber alle so gleich aussehen, dass wohl nur ein geübtes Auge Billigware von Handarbeit unterscheiden kann. Verkauft werden freilich alle als Handarbeit… In der Mitte des Zócalo steht ein kleiner Pavillon, vor dem gerade eine Demonstration stattfindet. Gut für die Verkäufer: Mehr Kundschaft für ihr Crushed-Ice, dass sie selbst aus einem großen Eisblock auf dem Wagen schaben, in einen Plastikbecher füllen und dann mit allerlei süßen und bunten Soßen füllen (und natürlich Chilipulver).

Im Museo del Palacio (Palastmuseum) im Regierungspalast am Zócalo gibt es eine Ausstellung für Kinder zur Entstehung der Erde. Irgendwie scheint Oaxaca ziemlich viel damit zu tun zu haben, glaube ich den vielen bunten Schautafeln und blinkenden Bildschirmen. Auf einem großen Globus kann man auf Knöpfe drücken und sich die Sprache des Landes anhören, auf dem der Knopf angebracht ist. Meist sind es Dialoge aus Filmen, die hier zu hören sind. Auf Deutsch ist es irgendein Marine-Film in rauem Ton. Na, immerhin nicht aus dem zweiten Weltkrieg… Das eigentliche Highlight des Regierungspalastes sind die Wandgemälde, Murales genannt, vom Künstler Arturo García Bustos. Sie erzählen die ganze Geschichte Mexikos kompakt auf einer großen Wand – von den Ureinwohnern über die Kolonialisierung zur Revolution.

Die Geschichte Mexikos auf einen Blick: Wandgemälde von Arturo García Busto.

Das Tempo der Mexikaner ist zu Fuß kaum mitzuhalten, so langsam laufen sie. Etwas orientierungslos streife ich durchs Zentrum und entdecke überall schöne alte Kolonialhäuser mit bunten Fassaden. Fast die gesamte Stadt besteht aus dieser alten Architektur – so fällt es noch schwerer, schöne und herausstechende Gebäude zu finden. Ich lasse den Tag auf dem Platz vor der Santo Domingo-Kirche ausklingen. Hier ist es nicht ganz so voll und laut wie auf dem Zócalo und ich kann entspannt dasitzen. Bevor ich weiterfahre in die nächste Stadt esse ich noch eines der traditionellen Gerichte der wirklich ausgezeichneten oaxaqueñischen Küche: Mole Negro mit Hühnchen. Die Mole (schwarze Soße) ist ausnahmsweise nicht auf Basis von Bohnen zubereitet, sondern beinhaltet haufenweise lecker aufeinander abgestimmte Gewürze und sogar Schokolade! Zusammen mit dem Hühnchen ist es wohl eines der leckersten Gerichte, die ich in Mexiko gegessen habe. Nicht zuletzt deshalb bleibt mir Oaxaca sehr gut in Erinnerung. Die Architektur, die Kultur, das Wetter, die Menschen: Es ist einfach schön hier.