Schildkröten-Suche – zweiter Anlauf. Baby-Schildkröten sehe ich zwar auch in Boca del Cielo nicht, dafür kann ich in der Schutzstation hier immerhin ein paar ausgewachsene Exemplare beobachten. Ein Tropensturm kommt auf: Er vermiest mir den Strandtag und lässt sich auch in den kommenden Tagen nicht abschütteln…
Auf der Ladefläche des Pickups ist extra ein Sitzbrett befestigt. Ich halte mich am Dach der Fahrerkabine fest. Zwei nette Männer nehmen mich kostenlos mit nach Boca del Cielo. 60 Stundenkilometer sind erlaubt – der Fahrtwind peitscht mit mindestens 100 gegen meine Sonnenbrille. Jede Unebenheit der Fahrbahn überträgt sich auf das Sitzbrett – und meinen Hintern. Etwas mulmig ist mir schon, völlig ungesichert durch die Landschaft zu brausen. Aber es ist auch irgendwie ein tolles Gefühl.
Am Bootsanleger von Boca del Cielo (Himmelsmund) warten ein Dutzend Schiffer mit ihren kleinen schmalen Booten auf Kundschaft. Denn der Ort selbst ist nicht von Interesse. Um zum Strand zu kommen, muss ich einen Fluss überqueren, der den Ort und die schmale Landzunge mit dem Strand trennt. Hier befindet sich auch die Schildkröten-Station. Eine Brücke gibt es nicht, stattdessen zahle ich teure 150 Pesos (9 Euro) für drei Minuten Überfahrt. Doch auch hier habe ich nicht das große Glück: Die Schildkröten-Saison hat noch nicht richtig begonnen. In der Station gibt es nur ein paar eingebuddelte Eier, aus denen in der kommenden Woche die Babys schlüpfen sollen. Aber immerhin schwimmen fünf größere Schildkröten in blauen Beton-Becken im Kreis. Sie sind durch Fischernetze oder ähnliches verletzt worden und werden hier aufgepäppelt. Eine 28 bis 30 Jahre alte Schildkröte ist schon seit Jahren da – so lange schwimmt sie schon im Kreis. Je nach Spezies können sie 80 bis 100 Jahre alt werden, erklärt mir ein Freiwilliger der Station. Ich nehme mir Zeit und beobachte die Schildkröten eine Weile. Sie haben ein tolles Gesicht: Von oben betrachtet lachen sie. Schaut man sie von unten an, gucken sie ernst oder gar mit heruntergezogenen Mundwinkeln. Jedes Jahr legen die Schildkrötenweibchen bis zu 100-120 Eier am Strand ab. Die kleinen Babys sind beim Schlüpfen dann etwa so groß wie ein Pingpongball. Süß! Das Problem ist nur: Die Leute, die hier wohnen, graben die Eier aus und essen sie. Die Schildkröten-Schütze müssen schneller sein und sie in ihrer Station wieder eingraben, damit sie in Frieden schlüpfen können. Direkt danach werden sie ins Meer entlassen – jedes Mal ein Highlight, verrät mir der Freiwillige. Aber leider erst wieder in der kommenden Woche. Ich bin zu früh…
Ein Tropensturm ist im Anmarsch. Aus Richtung Guatemala. Der Sand ist überall, das Meer ist aufgewühlt. Bei gutem Wetter ist es bestimmt schön hier! Ich laufe den Strand auf der Landzunge entlang, fast bis zur Flussmündung. Aber ein paar wild bellende Hunde verderben mir bald den Spaziergang. In einem der Strandrestaurants bin ich der einzige Gast. Auch so bin ich weit und breit der einzige Tourist. Der Besitzer bzw. Kellner bzw. Koch stellt mir sein Angebot vor: „Es gibt Bohnen mit Käse. Oder nur Bohnen. Oder mit Käse.“ Ich bestelle zwei Bier dazu und fahre wenig später mit dem kleinen Boot wieder zurück zum Anleger.
Ein Sammeltaxi nimmt mich mit. Aber natürlich geht es nicht auf direktem Weg zurück nach Tonalá. Zuerst sammeln wir noch eine schwangere Frau und ihren Mann und ihre Schwester ein. Ich sitze vorne und teile mir mit einem Jungen den Beifahrersitz. Der Fahrer fährt hin und her: Die Schwangere hat die Papiere zuhause vergessen. Nein, doch eher im Haus ihres Mannes. Und nochwas! Nochmal umkehren… Als wir endlich auf dem Weg sind, ist eine Dreiviertelstunde verstrichen. Nächster Halt: Das Krankenhaus von Tonalá, dann der Markt. Ich bin froh, dass ich endlich aus dem engen Taxi steigen kann. Die Fahrt auf dem Pickup war zwar auch nicht bequemer, aber aufregender… Etwas enttäuscht, keine Baby-Schildkröten gesehen zu haben, laufe ich zurück zur Bus-Station. Aus dem geplanten Strand- und Schildkröten-Tag ist ein Land- und Leute-Tag geworden. Auch gut…